Stephan Kremer bei seinem VHS-Vortrag. Foto: Byron Nolda

von Martin Büdenbender

Lüdenscheid. Über 20 Kurse, Vorträge und Webinare zum Thema Gesundheit finden sich aktuell im Veranstaltungskalender der Volkshochschule Lüdenscheid. Vom Yoga-Kurs und Zumba-Fitness über Senioren-Dancing und Burn-Out Prävention bis hin zu Informationen zur Suchtberatung reicht das Angebot. Aber einen Vortrag über die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) eines Afghanistan-Veteranen gab’s bei der VHS noch nie.

Experiment gelungen

VHS-Fachdienstleiter Michael Tschöke nannte den Vortrag von Stephan Kremer am Donnerstagabend im Alten Rathaus dann auch ein Experiment. Um den Ausgang vorwegzunehmen: „Das Experiment ist gelungen.“ So resümierte nicht nur Michael Tschöke. Das bestätigte auch der Applaus der Zuhörer:innen. Den gab es zum Schluss der Veranstaltung aber erst noch einem Moment des Innehaltens. Zu sehr zeigten sich die Zuhörer von dem, was Stephan Kremer zu erzählen hatte, betroffen. Manch einer schien sogar zu überlegen, ob in Anbetracht der Ernsthaftigkeit des Themas und der entwaffnenden Offenheit des Referenten Beifall überhaupt angemessen sei.

Rapper mit dem Künstlernamen Mazibora

Stephan Kremer ist in seiner Heimatstadt Lüdenscheid kein Unbekannter. Unter dem Künstlernamen Mazibora hat er sich als Rapper mit tiefgründigen Songs einen Namen gemacht. Der 32-Jährige redet offen über seine psychische Erkrankung, die als Folge seines Einsatzes als Soldat in Afghanistan ausgebrochen ist. Reden ist für ihn genauso wie Musik ein Weg, das Erlebte zu verarbeiten. Schon mehrfach hat er in den unterschiedlichsten Medien (so vor einem Jahr auch in den LN) über seine Zeit in Afghanistan gesprochen und erzählt, wie er sich voller Enthusiasmus als 18-Jähriger entschloss Soldat zu werden und sich zum Scharfschützen ausbilden ließ.

Mit 20 Jahren nach Afghanistan

Wie er mit 20 nach Afghanistan ging, in der Überzeugung mit seinen Kameraden dort etwas Gutes für die Menschen bewirken zu können, wie er aller Illusionen beraubt wurde, als am 2. Juni 2011 sein Freund Opfer einer tückischen Attacke während einer Patrouille seines Zuges wurde und wie ihn stattdessen seitdem die schrecklichen Bilder von damals verfolgen. „Tod und Verwundung, das Leid des afghanischen Volkes , dass sind die Bilder in meinem Kopf, die mich nicht schlafen lassen.“

Normales Leben kaum möglich

Über all das sprach Stephan Kremer auch am Donnerstag. Mit klaren Worten und ohne Pathos führte er seinen Zuhörern das Geschehen in Afghanistan vor Augen und nannte die schrecklichen Ereignisse, die seine Belastungsstörung auslösten und beschrieb seine Versuche nach der Rückkehr aus Afghanistan ein normales Leben zu führen. Heirat, Kinder, scheinbar privates Glück. Aber seinen „Krieg im Kopf“ konnte er nicht ausblenden.

„Nehmt Rücksicht auf psychisch Kranke“

Doch nicht nur seine Kriegserlebnisse belasten den 32-Jährigen, sondern genauso das Unverständnis in der Gesellschaft für psychische Krankheiten. Dabei ist die Zahl der an Psychotraumata, Depressionen und Angstzuständen leidenden Menschen zunehmend. PTBS, so Stephan Kremer, werde nicht nur durch Krieg, sondern auch durch Katastrophen, schwere Unfälle oder Vergewaltigung ausgelöst. Aber da man diese Erkrankungen nicht sehen könne, würden sie allzuoft nicht erkannt oder nicht ernst genommen. In Momenten, in denen es ihm besonders schlecht gehe, von seinem Gegenüber mit „Stell dich nicht so an!“ angesprochen zu werden, sei frustrierend. „Nehmt mehr Rücksicht auf psychisch Kranke“, forderte er daher und ermutigte die Betroffenen, ihre Probleme nicht für sich zu behalten, sondern darüber zu reden und sich Hilfe zu suchen.