Halver/Märkischer Kreis/Wipperfürth. Der Schock nach dem Gülle-Gau, bei dem am 18. März 1700 Kubikmeter Jauche in den Neyebach geflossen sind, sitzt tief. So etwas habe es noch nie gegeben. Er sei tief betroffen, sagte Dr. Christian Dickschen, Umweltdezernent des Oberbergischen Kreises, am 15. April in einer Sondersitzung des Kreisumweltausschusses. Der Ausschuss tagte auf Antrag der SPD in Wipperfürth. Das öffentliche Interesse war groß. Sämtliche Zuschauerplätze im Wipperfürther Ratssaal waren besetzt. Bis zum Beginn der Sitzung wurden eilig Stühle herangeschafft. Ein Teil der Zuhörer verfolgte danach die Sitzung vom Rathausflur aus.
EWR hat Landwirt aus Kooperation ausgeschlossen
Die Schuld an der Katastrophe, die in kürzester Zeit sämtliche Leben im Neyebach vernichtet hat, weisen viele dem Halveraner Landwirt zu, aus dessen Tank die Gülle in den Neyebach geströmt war. Der Betreiber des Güllebehälters selbst spricht von Sabotage und hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet.
Mike Giera, verantwortlich für die Technik bei der Energie Wasser Remscheid GmbH, die die Talsperre betreibt, macht den Landwirt auch für einen weiteren Vorfall aus dem November 2014 verantwortlich. Durch eine Zufallsprobe sei damals bemerkt worden, dass Gülle ausgelaufen sei, sagte Giera. Für ihn ist der Landwirt ein „schwarzes Schaf“ unter den Bauern in der Region. EWR habe ihn aus der Kooperation mit den heimischen Landwirten ausgeschlossen und eine Strafanzeige erstellt.
Kritik an Bezirksregierung und dem Märkischenn Kreis
Giera kritisierte auch die Bezirksregierung Köln. Sie habe seine Sorgen hinsichtlich möglicher weiterer Vorfälle nicht geteilt und auch nichts unternommen.Der Märkische Kreis, der den Bau des riesigen Gülle-Behälters unter Auflagen genehmigt hatte, habe die Einhaltung dieser Auflagen nicht zeitnah überprüft, sagte Giera weiter.
Inzwischen prüft der Märkische Kreis die Wirksamkeit seiner Baugenehmigung vom 1. Oktober 2011, weil sich herausgestellt hat, dass der Tank statt der genehmigten 5,80 Meter acht Meter hoch ist. Der Betreiber muss den Behälter leeren, damit eine Dichtigkeitsprüfung vorgenommen werden kann. Außerdem muss die Standsicherheit des Bauwerks überprüft werden.
Kein Kommentar zum Verhalten anderer Behörden
Zum Verhalten der Behörden im Märkischen Kreis wollte sich Umweltdezernent Dr. Christian Dickschen in der Sitzung nicht äußern. Den Hinweis, dass Verfahren gegen Behördenmitarbeiter eingeleitet worden seien, konnte die Pressestelle auf Anfrage von UnserLünsche nicht bestätigen. „Bei uns ist nichts eingegangen“, sagte Sprecherin Ursula Erkens. „Wir wissen auch nicht, welche Behörde davon betroffen sein soll.“
Nach Angaben von Dr. Christian Dickschen ist dem Oberbergischen Kreis bisher kein finanzieller Schaden entstanden. Es könnten sich aber Ansprüche aus dem Umweltschadensrecht ergeben. „Das ist allerdings sehr kompliziert.“
Wupperverband rechnet mit Kosten in mindestens sechstelliger Höhe
Der Wupperverband rechnet für die Beseitigung der Schäden mit einem Betrag in mindestens sechsstelliger Höhe. „Die größten Probleme sind vorerst beseitigt“, sagte Talsperrenexpertin Claudia Klerx. Bis zum 15. April seien etwa 38 000 Kubikmeter des insgesamt 50 000 Kubikmeter Gülle-Wassergemischs auf der Talsperre abgepumpt und in der Kläranlage Hückeswagen behandelt worden. Sämtliche Indikatoren des Talsperrenwassers hätten sich deutlich verbessert. Zu den Spätfolgen der Umweltkatastrophe im Neyebach sowie im gesamten Naturschutzgebiet könne noch nichts gesagt werden. „Da wird ein intensives Monitoring erforderlich sein.“
Die Fachleute gehen davon aus, dass im weiteren Jahresverlauf vor allem Tierarten im beeinträchtigten Naturschutzgebiet, die direkt über die Nahrungskette an das Gewässer gebunden sind, betroffen sein werden. Grundwasserschäden sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu erwarten. Claudia Klerx vom Wupperverband forderte eine verbesserte Zusammenarbeit der Behörden und ein Umdenken bei Massentierhaltung in Naturschutzgebieten. Verwunderung rief die Mitteilung von Umweltdezernet Dr. Christian Dickschen hervor, der Märkische Kreis habe am 23. März, also fünf Tage nach dem Vorfall, Umweltalarm ausgerufen.