Hagen. (lwl) Die Sonderausstellung „Stift, Lehrling, Azubi – Ausbildung von 1945 bis heute“ im Hagener Freilichtmuseum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) beleuchtet den Weg von der Berufsfindung bis zum Abschluss der Gesellenprüfung. Aber nicht nur das, sondern auch aktuelle Fragen rund um die Ausbildung in Handwerk und Gewerbe sind Thema. Sie ist seit 2. Juni zu sehen.
Die öffentliche Diskussion um das Thema Ausbildung wird insbesondere für Handwerksberufe sehr lebhaft geführt. Es geht um Prestige, Bezahlung, schmutzige Hände und Zukunftschancen. „Das LWL-Freilichtmuseum Hagen widmet sich so intensiv wie kein anderes Museum in Deutschland der Geschichte von Handwerk und Technik. Daher greift es erstmals diesen wichtigen Abschnitt im Berufsleben auf und präsentiert ihn in einer Ausstellung. Es sieht sich als Landesmuseum in der Pflicht, nicht nur den Blick in die Vergangenheit zu richten, sondern darüber hinaus einen Beitrag zu zeitgenössischen und hochaktuellen gesellschaftlichen Diskussionen zu leisten“, betont LWL-Direktor Matthias Löb.
Wichtiger Beitrag zur Bewahrung der Handwerksgeschichte
Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer Dortmund, sagt dazu: „Das LWL-Freilichtmuseum Hagen leistet mit seiner Forschungsarbeit einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung von Handwerksgeschichte und -techniken und zeigt dabei, wie sich unser Wirtschaftsbereich über Dekaden als Innovationstreiber erwiesen hat.“
„Wichtig ist, dass eine gute Ausbildung die Basis für ein gelingendes Arbeitsleben ist“, so Löb beim Pressetermin vor Eröffnung der Ausstellung, „auch für den Landschaftsverband ist es selbstverständlich auszubilden“. Dennoch fehle inzwischen der Nachwuchs an Fachkräften. „Bezeichnend für das aktuelle Phänomen ist ein großflächiger Bedarf an Fachkräften, der sich über nahezu alle Branchen im Handwerk spannt“, erläutert Schröder, „das ist eine brisante Entwicklung, denn der Fachkräftemangel gefährdet mittlerweile den Betriebsbestand im Handwerk“.

Foto: Karl Ruhmöller, Münster
Persönliche Geschichten
Ausgangspunkt der Ausstellung im Freilichtmuseum Hagen sind persönliche Objekte von Handwerkerinnen und Handwerkern verschiedener Generationen und Gewerbe. Die Kontakte entstanden durch Aufrufe und durch die Unterstützung der westfälischen Handwerkskammern, Innungen, der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) und des Deutschen Handwerkerblatts. Hinzu kommen persönliche Geschichten, die Aspekte der Ausbildung lebendig und anschaulich machen: In „Ich werde Schneiderin oder nix!“ erzählt beispielsweise eine Herrenschneiderin aus Hagen-Hohenlimburg über ihre Berufswahl.
Grundlegende Entscheidung
In jeder Generation stehen junge Menschen gegen Ende ihrer Schulzeit vor der grundlegenden Entscheidung: Welchen beruflichen Weg soll ich einschlagen? Ist die Ausbildung im Handwerk eine Option? Die Entscheidung liegt nicht allein bei den Jugendlichen, sondern ist geprägt von familiären, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen. Seit den 1950er-Jahren wurden viele Informations- und Beratungsangebote entwickelt, um einen passenden Beruf zu finden.
Enkel folgt dem GBuchbinder-Großvater
So folgt die Ausstellung inhaltlich dem Weg von den ersten Überlegungen zur Berufswahl bis zur feierlichen Verleihung des Gesellenbriefes. „Ein schönes Beispiel ist das des Buchbindermeister aus Münster, der seinem Enkel zur Geburt eine Kinderschürze schenkte, im typischen Grün der Buchbinderschürzen. Der Großvater hoffte, dass der Kleine später ebenfalls Buchbinder würde“, erzählt die stellvertretende Museumsleiterin Dr. Anke Hufschmidt. „16 Jahre später ging sein Wunsch tatsächlich in Erfüllung. Er bekam die Schürze mit einem Bewerbungsschreiben von seinem Enkel unter den Weihnachtsbaum gelegt.“
Berichtshefte und Gesellenstücke
Die liebevoll aufbewahrten Gesellenstücke veranschaulichen die unterschiedlichen Aspekte der Berufsausbildung. Da ist das erste eigene Werkzeug, die Haarschneideschere einer Friseurmeistern aus Bielefeld oder die Berichtshefte der Lehrzeit eines Orthopädiemechanikers aus Iserlohn.
Die privaten Objekte zeigen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen, die seit dem Zweiten Weltkrieg abwechselnd vom Lehrlings- oder Lehrstellenmangel geprägt wurden. Die unterschiedlichen Diskussionen um die Verbesserung der Ausbildung in den 1960er-Jahren wird genauso thematisiert, wie persönliche Stolpersteine, die zum Abbruch einer Ausbildung geführt haben. „Die Ausbildung im Handwerk ist ein Spiegel der technischen und gesellschaftlichen Veränderungen unserer Branche. In den letzten Jahren machen sich vor allem die großen Umwälzungen bemerkbar, die mit der Digitalisierung in das Handwerk eingezogen sind“, sagt Schröder.
Diskussionen und Auseinandersetzungen zwischen Handwerkskammern, Betrieben, Auszubildenden und ihren Vertretungen führten in den 1980er Jahren zum dualen Ausbildungssystems. Die duale Ausbildung ist die weltweit einmalige Verbindung von paralleler praktischer und theoretischer Ausbildung in Betrieb und Fachschule. Die Ausstellung zeigt auch die schulische Seite dieses Erfolgsmodells und die Veränderungen in den Berufs- und Fachschulen oder in den Berufsbildungszentren.
„Hands on“/Aktivitäten in der Ausstellung
In der Ausstellung haben die Besucher die Möglichkeit wie früher in historischen Medien, wie Kalendern und Fachzeitschriften, und auch Recherche mit modernen Medien, speziellen Apps und im Internet nach einem passenden Beruf zu suchen.
Schriftliche Bewerbungen waren lange Zeit nicht üblich, der persönliche Kontakt war meist und ist auch heute oft entscheidend für die Aufnahme in ein Ausbildungsverhältnis. Wenn es zum Bewerbungsgespräch kommt – was zieht man dann an? Spielerisch lässt sich das richtige Outfit für Sie und Ihn an einer Mitmachstation ausprobieren.
Rechte- und Pflichten-Waage
Und wenn es endlich geklappt hat und der ersehnte Lehrvertrag unterschrieben ist – auch in der Ausstellung zu sehen – stellt sich die Frage: Welche Rechte und Pflichten haben Azubis und Ausbildende? Dieses etwas trockene Thema können die Besucher experimentell an einer „Rechte und Pflichten-Waage“ ausprobieren.
Mit den persönlichen Geschichten und an den zahlreichen Mitmachstationen bietet die Ausstellung Orientierungspunkte für jüngere Menschen und Erinnerungsmomente für die ältere Generation. So können Jung und Alt ausprobieren: eigne ich mich für einen handwerklichen Beruf?
Spiel eröffnet Einblicke in Lebenswege
Am Ende eines Rundganges durch die Ausstellung steht das „Spiel des Berufslebens“. Dieses Spiel eröffnet Einblicke in mögliche Berufs- und Lebenswege nach der Ausbildung und den sehr unterschiedlichen beruflichen Möglichkeiten. Bei der Familienrallye entdeckt die Familie gemeinsam die Ausstellung und besteht mit Hilfe der Museumskatze „Mäcki“ eine „Gesellenprüfung“ im Museumsentdecker-Handwerk. Die Rallyeaufgaben sind an der Kasse und im Museumsshop erhältlich. Ebenso gibt es dort eine Ausstellungspublikation mit 48 Seiten, zahlreichen Abbildungen.