Die Leitung des MK-Krisenstabs (von rechts): Volker Schmidt, Guido Thal, Thomas Gemke, Barbara Dienstel-Kümper, Jutta Heedfeld. Es fehlt Horst-Peter Hohage. Quelle:Archivbild / eigene Darstellung P. Müller, Original von Mathis Schneider/Märkischer Kreis

Märkischer Kreis. Auf die Landkreise kommt es an: Wie Deutschland die Corona-Krise bewältigt, entscheidet sich hier. Zu Besuch bei den kommunalen Krisenmanagern in Lüdenscheid. So beginnt Reiner Burger, NRW-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) einen Bericht über den Corona-Krisenstab des Märkischen Kreises. Ein Bekannter spielte Peter Müller aus Balve den Bericht, der sich eingehend mit der Arbeit vor Ort befasst, zu. Der 41-jährige war vom Blick hinter die Kulissen begeistert. Er ließ einige Tage ins Land gehen. Dann beschloss er, guten-tach.de einen Gastbeitrag zum Thema anzubieten. Hier ist er.

von Peter Müller

Wie geil ist das denn? – Eine überraschende Kritik an Krisenstab und Gesundheitsamt des Märkischen Kreises.

Lieber Thomas Gemke (Landrat),
lieber Volker Schmidt (Gesundheitschef),
liebe Pressestelle und
alle weiteren der Kreisbehörde plus angeschlossenen Betriebe und Organisationen,

könnten Sie bitte aufhören, Ihre hervorragende Arbeit so unter den Scheffel zu stellen?

Ständig profilieren, inszenieren, vermarkten und überhöhen sich diverse Minister, Abgeordnete, Unternehmer, Händler, Eltern, usw.; und werden als Corona-Helden gefeiert oder als Corona-Opfer bemitleidet. Das ist in vielerlei Hinsicht auch nicht falsch, aber der wahre Adressat für Lob, Respekt und Bewunderung sind ja wohl Sie!

Mir wurde ein Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) weitergeleitet, der Ihre Arbeit portraitiert, würdigt, ja, geradezu als vorbildhaft beschreibt. Ich finde das grandios, denn die FAZ ist so etwas wie das „Real Madrid der deutschen Presse“, da kommt man nicht einfach so hinein und da werden vor allem Dinge thematisiert, die für ganz Deutschland eine Bedeutung haben. Wenn Sie sich selbst nicht herausstellen möchten, so übernehmen ich das dann.

Ritterschlag für Chef und Mitarbeiter

Es gibt deutschlandweit 294 Landkreise, und unser MK gilt offensichtlich als einer der Besten im Kampf gegen Corona. Ein richtiger Ritterschlag für die Mitarbeiter von Thomas Gemke und Volker Schmidt, die in dem Artikel besonders interviewt wurden und deren Erfahrung in dieser Krise besonders hilfreich sei.

Link zum Artikel: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/corona-deutschlands-lage-entscheidet-sich-in-den-landkreisen-16755617.html

Die tägliche Lage fasst der Märkische Kreis jeden Tag auch einer Grafik zusammen. Grafik: Märkischer Kreis

Auch für uns Normalbürger ist das alles wichtig zu wissen, denn es zeigt, dass wir in vergleichsweise sehr guten behördlichen Händen sind. Zumindest ich fühle mich nun nochmals sicherer und wohler. Und daher möchte ich Ihnen meine Hochachtung zollen, Danke sagen und um ein „Weiter so!“ bitten. Gerade jetzt, wo die Lockerungen beginnen und die Fallzahlen abnehmen…

Für mich war das FAZ-Portrait auch insofern erhellend, denn obwohl auf guten-tach.de ja nahezu täglich Pressemitteilungen des Märkischen Kreises veröffentlicht werden, war mir die herausragende Arbeit der Kreisbehörde nicht bewusst. Ihnen? Und warum ist das so? Ist es Bescheidenheit oder Unvermögen seitens der Pressestelle? Oder bin ich und sind wir alle zu wenig sensibilisiert dafür, was in der Kreisbehörde alles geleistet wird?

Daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen den kostenpflichtigen Premiumartikel mit eigenen Worten und eigener Meinung näherzubringen:

„Wie Deutschland die Corona-Krise besteht, entscheidet sich vor allem in den Landkreisen“, so fängt Redakteur Reiner Burger sein Portrait an. Und er hat Recht! Die behördlichen Krisenstäbe hier vor Ort sind die Schaltzentrale; sie müssen umsetzen, was von Düsseldorf und Berlin mal mehr, mal weniger kompetent und spontan beschlossen wird. Bis zu viermal täglich kam der MK-Krisenstab zusammen, kein Wunder angesichts des politischen Aktionismus´ und Wirrwarrs. Was man immer leicht vergisst, ist, dass die Ämter und Behörden nur ausführendes Organ sind und damit das allererste Opfer von Selbstprofilierungen und Beschlüsse der Bundes- und Landesminister. Zudem sind es ja die Leute an der Basis, sprich die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes, der Polizei, der Ordnungsämter, des Jugendamtes etc. pp., die den Unmut der Bürger ungerechtfertigter Weise zu spüren bekommen. Gut, den Polizisten und Lehrern wird bereits gedankt, aber wenn es nach mir ginge, gehören deutlich mehr Öffentlich-Bedienstete in Dankesansprachen berücksichtigt. Denn in dem FAZ-Artikel stand, dass der Kreis 36 Abteilungen hätte. Sie sind also für verdammt viel verantwortlich – von der Pflegeberatung und Jugendamt, über Straßenverkehrsamt, Ausländerbehörde, Rettungsdienst, Katasteramt bis hin zu Kultur und eben dem Gesundheitsamt. In einer auch auf guten-tach.de veröffentlichten Meldung las ich, dass die Kreisbehörde tausende Anfragen per Telefon und per E-Mail pro Tag erhalte. Bereits dies zu händeln ist eine tolle Leistung.

In Lüdenscheid und Iserlohn unterhält zwei Corona-Drive-Ins als Teststationen.. Foto: Mathis Schneider/Märkischer Kreis

Verwaltung muss Mehrarbeit leisten

Denn unsere Kreisbehörde ist gleich mehrfach durch Corona betroffen und gefordert:

  1. Auch sie musste und muss weiterhin ihre eigene Arbeit neu organisieren, wie jedes andere Unternehmen auch. D.h. Sicherheitsvorkehrungen, Home-Office, Terminverschiebungen und Video- und Telefongespräche statt persönlicher Kontakte. Auch die Verwaltung gehört daher genauso dafür gelobt, dass sie alles unternimmt, um ihre eigentliche Arbeit so gut es geht fortführen zu können.
  2. Gleichzeitig muss die Verwaltung deutliche Mehrarbeit leisten. Der Krisenstab ist 24 Stunden, 7 Tage die Woche besetzt. Über 200 Mitarbeiter kämpfen gegen Corona an und sorgen dafür, dass Tests schnell durchgeführt werden können und das Kontaktpersonen ausgemacht und Infektionsketten unterbrochen werden. Indirekt bezeichnete die FAZ den Gesundheitschef Volker Schmidt und sein Team als Lebensretter. Als Lebensretter! Denn es gab ja Einzelinfektionen in Altenheimen und in einer Klinik. Denn weil das Gesundheitsamt „in Windeseile 200 Senioren, Patienten und Pfleger getestet und bei positivem Befund unter Quarantäne gestellt [hat] […] Ein Massensterben wie in Heimen in Würzburg oder Wolfsburg konnten Schmidt und seine Mitarbeiter [so] verhindern.“ Wenn also irgendwer ein Corona-Held ist, dann jawohl Volker Schmidt, seine Gesundheitsleute und überhaupt der gesamte Krisenstab des Märkischen Kreises!
  3. Die Kreisbehörde muss zu der Aufrechterhaltung ihrer eigentlichen Verwaltungsarbeit, zu ihrer Corona-Bekämpfung noch als Drittes zu sehen, sich selbst zu schützen. Denn wie soll die Verwaltung mit Corona fertig werden, wenn es den Kreis jederzeit selbst lahmlegen kann? „Wie soll die Verwaltung die kleinen Alltags- und gleichzeitig auch die ganz großen Existenzfragen der Bürger zupackend und unbürokratisch regeln, wenn sogar jede Dienstbesprechung plötzlich ein potentielles Infektionsrisiko darstellt?“ Ich finde es daher richtig gut, wie die Herren Gemke als Behördenchef und Schmidt als Gesundheitschef ihren Laden im Griff haben. Es ist eine stramme Leistung meiner Meinung nach, an der Front zu kämpfen, ohne selbst infiziert zu werden oder unter der Last an Anrufe, Beschwerden etc. zusammenzubrechen.

Die Weitsicht der MK-Männer

Im weiteren Verlauf des Artikels wurde noch die Weitsicht der MK-Männer gelobt. Bereits am 27.2 hätte man den Krisenstab einberufen. Außerdem hätte man abertausende Schutzkittel und Masken an Mediziner verteilt. Dies sei zwar Aufgabe des Landes gewesen, aber die waren ja nicht so gut vorbereitet. Also opferte man selbst einen Teil seiner Schutzvorräte. Auch dies verdient Achtung und Dank, denn hätte man die Schutzvorräte für sich, also nur für den Rettungsdienst behalten, wäre es wohl ziemlich schlimm gekommen… Und gleichzeitig durfte man diese Leistung nicht öffentlich machen, damit man nicht von Bittstellern und Dieben überrannt wird. Wieder ein Beleg dafür, wie viel an wertvoller Arbeit doch im Kleinen und Geheimen geleistet wird!!!

Nicht unerwähnt möchte ich auch ein spezielles Computerprogramm lassen. Auch darüber gab es eine Pressemeldung, aber mal wieder viel zu sachlich, abstrakt und nüchtern formuliert von der Pressestelle, als das mir deren Nutzen wirklich klar gewesen wäre. Im FAZ-Artikel hingegen steht ausführlich beschrieben, was die alles kann: Nämlich jeden einzelnen Corona-Vorgang komplett durchorganisieren: von der ärztlichen Überweisung über die einzelnen interne Schritte wie Terminvergabe, Datenbankerfassung, etc. bis zur Bekanntmachung des Testergebnisses auf den Computern und Handys der Getesteten. Andere Behörden nutzen dafür wohl noch Excellisten und schicken die permanent hin und her…

Zudem wurde mir erstmals wirklich klar, was die anstehende Kommunalwahl im kommenden September bedeutet: Die Chefs unserer Verwaltungen stehen zur Wahl und damit auch deren Funktionsfähigkeit. Wechselt der Chef zieht das ja immer einen ganzen Rattenschwanz an Veränderungen hinter sich her. Auch dies war Gegenstand des FAZ-Artikels. Herr Gemke (CDU) hört ja auf und Volker Schmidt (SPD) möchte ihm gerne nachfolgen. Angesichts dessen, dass Corona uns noch lange Zeit beschäftigen wird, bin ich klar dafür, auf erfahrene und erprobte Führungspersonen zu setzen. Da ist es mir auch egal, dass Herr Schmidt SPD-Mitglied ist. Die Parteizugehörigkeit spielt in der Bewältigung der Corona-Krise keine Rolle und im alltäglichen Behördenalltag ebenso wenig, dies wurde im FAZ-Portrait klar.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ja, es mag in Einzelfällen nicht alles optimal gelaufen sein. Das ist normal, denn für alle Beteiligten, für uns Bürger ja auch, war die Corona-Krise so nicht vorherzusehen. Zu meckern mag daher in wenigen Fällen berechtigt sein, aber am wenigsten an den Behörden, denn die sitzen zwischen allen Stühlen. Seien wir stattdessen froh, so weitsichtige und besonnene Kommunalbeamte zu haben!

Chapeau lieber Thomas Gemke und lieber Volker Schmidt für Ihre Arbeit und die ihrer 1200 Mitarbeiter. Weiter so! Und demnächst bitte verständlichere Pressemeldungen über Ihre Arbeit, dann hätte ich mir diese Extra-Kritik auch ersparen können.

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