Lüdenscheids Feuerwehr-Chef Christopher Rehnert erinnert an die Flutkatastrophe vor einem Jahr. Foto: Merle Stickdorn

Lüdenscheid. (PSL) Ein halbes Jahr lang hat er sich die Leitung mit seinem Vorgänger Martin Walter geteilt. Seit Donnerstag, 1. April, ist Christopher Rehnert alleiniger Feuerwehrchef in Lüdenscheid. Der 37-jährige Familienvater war zuletzt als Teamleiter Technik bei der Feuerwehr Lünen tätig. Nun ist er voll und ganz in seiner neuen Position angekommen – und wird als neuer Leiter die Entwicklung der Lüdenscheider Feuerwehr entscheidend mitgestalten.

Die offensichtliche Frage zuerst: Auch in Lünen hat man Ihnen den Posten des Feuerwehrchefs angeboten – warum haben Sie sich für Lüdenscheid entschieden?

Ich habe eine neue Herausforderung gesucht. Bei der Lüner Feuerwehr bin ich sozusagen aufgewachsen. Ich bin dort ja schon mit 17 Jahren bei der freiwilligen Feuerwehr eingestiegen. Einerseits ist es natürlich schön, wenn man sich so gut auskennt. Andererseits kann es das aber schwierig machen, den Status quo zu hinterfragen und Dinge neu zu gestalten.

Wie haben Ihre neuen Kollegen in Lüdenscheid Sie am ersten Tag begrüßt?

Ich bin durchweg super empfangen worden, egal ob im Rathaus oder im eigenen Fachdienst. Martin Walter hat mir sofort zu Beginn sein Büro überlassen. Er selbst hat sich ins hinterste Eck verfrachtet – in ein Büro, das vorher eigentlich ein Lagerraum war. Damit war der Akt der Übergabe dann schon zu 90 Prozent erfolgt.

Im ersten halben Jahr haben Sie sich die Fachdienstleitung mit Martin Walter geteilt. Zwei Chefs – kann das funktionieren?

Martin hat jeden Schritt mit mir abgestimmt. Das war natürlich ein hoher Kommunikationsaufwand, aber wenn es mal eine Ad-hoc-Entscheidung zu treffen gab, war auch das kein Problem. Da haben wir uns gegenseitig vertraut. Zum Teil war es dann hinterher sogar so, dass Martin zwar kritisch hinterfragt hat, aber eher meinen Entscheidungen gefolgt ist. So hat das hauptamtliche und ehrenamtliche Personal sofort gemerkt „Oh, da ist ein neuer Chef und an den können wir uns auch schon wenden.“

Hat die Corona-Pandemie Einfluss auf Ihren Start bei der Feuerwehr gehabt?

Ich konnte das Ehrenamt leider noch nicht so intensiv kennenlernen wie ich es mir gewünscht hätte. Unter normalen Umständen wäre ich zu Übungsdiensten gefahren, um mich persönlich vorzustellen und ins Gespräch zu kommen. Die sind jetzt aber ausgesetzt worden. Ich habe mich im letzten Jahr in einem Video vorgestellt, damit zumindest alle mal mein Gesicht gesehen haben. Lieber würde ich aber im direkten Kontakt meine Wertschätzung zeigen.

Sie haben ja auch im Ehrenamt angefangen. War Ihnen schnell klar, dass Sie hauptberuflich zur Feuerwehr möchten, oder hatten Sie damals noch einen anderen Berufswunsch?

Für mich war das relativ schnell klar. Ich weiß noch wie meine Mutter mal zu mir gesagt hat: „Du bist ja nur noch an der Wache! Willst du dir nicht gleich ein da Zimmer nehmen?“ Ich habe früh den Plan gefasst, nach dem Studium in den gehobenen Dienst einzusteigen. Verbissen bin ich an die Sache aber nicht rangegangen. Mit Maschinenbau habe ich ein Studium gewählt, mit dem ich auch glücklich geworden wäre, wenn es bei der Feuerwehr nicht geklappt hätte.

Was haben Sie sich als Leiter der Lüdenscheider Feuerwehr vorgenommen?

Ich komme aus dem Ehrenamt und will das Ehrenamt weiter stärken. Dazu gehört, dass ich die Kinder- und Jugendfeuerwehr unterstützen möchte. Besonders wichtig ist es, mehr Betreuer und pädagogische Kräfte zu gewinnen – denn am Interesse der Kinder mangelt es nicht. Ich möchte aber auch neue Zielgruppen aus verschiedenen Altersgruppe für die freiwillige Feuerwehr begeistern, beispielsweise Familienväter, die gerade in Lüdenscheid ein Haus gebaut haben.

Könnten Frauen so eine neue Zielgruppe sein?

Auf jeden Fall. Frauen sind leider bei der Feuerwehr immer noch unterrepräsentiert. Ich halte es für wichtig, nach außen zu kommunizieren, dass es bei der Feuerwehr nicht vorrangig um Muskelkraft geht. Es gibt viele verschiedene Einsatzmöglichkeiten, sodass jeder seine persönlichen Stärken einbringen kann.

Welchen Stellenwert wird der Bau der neuen Feuerwache und der Gerätehäuser einnehmen, der in den nächsten Jahren ansteht?

Die Feuerwehr ist wie eine zweite Familie und die Wache wie ein zweites Zuhause. Es ist also entscheidend, dass an dem Ort, wo man 24 Stunden aufeinander hockt, eine Wohlfühlatmosphäre entsteht. Die Leute sollen ja gerne zur Arbeit kommen. Das wird also auch ein wichtiges Projekt.

Haben Sie in all den Jahren bei der Feuerwehr einen Einsatz erlebt, der Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Als ich noch relativ frisch dabei war, wurden wir am Wochenende zu einem Einsatz an einem Badesee gerufen. Wir sind mit dem Schlauchboot über den See gepaddelt, hatten aber erst einmal keine Indizien dafür, dass es zu einem Badeunfall gekommen war. Irgendwann sagte mein Kollege dann plötzlich: „Ich hab’s.“ „Was hast du?“, habe ich ihn gefragt. „Hier ist ein kleines Kind.“ Das Kind war sechs oder sieben Jahre alt und war im See ertrunken. Das sind Dinge, an die man sich nicht gerne zurückerinnert.

Wie verarbeitet man solche Erlebnisse?

Indem man viel darüber spricht – mit den Kollegen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, oder der Familie. Damals hatte ich selbst noch keine Kinder, heute geht mir dieser spezielle Einsatz noch viel näher. Bei der Feuerwehr gibt es auch immer die Möglichkeit, psychosoziale Unterstützung in Anspruch zu nehmen – natürlich für die Unfallopfer vor Ort, aber auch für die eigenen Leute.

Was halten Ihre Kinder von Ihrem Beruf?

Der Kleine versteht das mit seinen vier Monaten noch gar nicht. Mein Großer ist jetzt fünf und findet es super. Vor Kurzem hat er sogar mal gesagt, dass er später bei der Feuerwehr Lüdenscheid arbeiten möchte – weil er das Blaulicht toll findet und dann mehr Zeit mit mir verbringen kann.

Das Interview wurde von der Pressestelle der Stadt Lüdenscheid zur Verfügung gestellt.

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